Vorurteile zur Zeitarbeit halten sich hartnäckig
Entgegen vieler Annahmen gilt Zeitarbeit inzwischen als unverzichtbares Personalinstrument. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Beschäftigung, insbesondere zur Integration von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen sowie zum flexiblen Personaleinsatz für Unternehmen.
Die Vorurteile zur Zeitarbeit lassen sich durch folgende Fakten widerlegen:
1. Mythos: Zeitarbeit ist ein Massenphänomen.
Fakt ist: Zeitarbeit ist ein wichtiges Flexibilitätsinstrument, das von den Unternehmen sehr gezielt eingesetzt wird. Entgegen anderslautender Behauptungen ist Zeitarbeit kein Massenphänomen. Dies zeigt ihr Anteil an der Gesamtbeschäftigung: Dieser liegt seit einiger Zeit konstant bei unter drei Prozent. Im Jahr 2016 waren von den 36,5 Millionen Beschäftigten lediglich 991.000 als Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Dies ist ein vergleichsweise geringer Anteil, der sich jedoch in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise positiv auswirkt.
2. Mythos: Zeitarbeitnehmer verdienen schlecht.
Fakt ist: In der Zeitarbeitsbranche gilt seit 01. Januar 2012 eine Lohnuntergrenze, die zwischenzeitlich 9,23 Euro (West) bzw. 8,91 Euro (Ost) beträgt. Bis Ende 2019 werden die Lohnuntergrenzen schrittweise im Westen auf 9,96 Euro und im Osten auf 9,66 Euro ansteigen. Mehr als 90 Prozent der Zeitarbeiter bei M+E werden nach Tarifverträgen bezahlt, von denen der Großteil von der DGB-Gewerkschaft ausgehandelt wurde.
In der Zeitarbeitsbranche sind 87 Prozent der Arbeitnehmer zudem in Vollzeit beschäftigt, in der Gesamtwirtschaft trifft dies nur auf drei von vier sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zu.
3. Mythos: Zeitarbeitnehmer werden schlechter entlohnt als Mitarbeiter der Stammbelegschaft.
Fakt ist: Dieser Vergleich anhand der Durchschnittslöhne ist irreführend. Rund 56 Prozent der Beschäftigten in der Zeitarbeit sind für Helfertätigkeiten eingesetzt, für die keine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgesetzt wird. Nur sieben Prozent der Zeitarbeitnehmer benötigen eine akademische oder gleichwertige Ausbildung. In der Gesamtwirtschaft sind hingegen nur 15 Prozent als Helfer, aber 25 Prozent als Hochqualifizierte beschäftigt.
Darüber hinaus haben die Tarifparteien der Zeitarbeitsbranche stufenweise Branchenzuschläge vereinbart, bei welchen nach spätestens 15 Monaten ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in etwa dem eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers entspricht.
4. Mythos: Die Arbeitgeber nutzen Zeitarbeit, um Personalkosten zu sparen.
Fakt ist: 68 Prozent der M+E Betriebe, die Zeitarbeit einsetzen, nutzen sie, um Auftragsspitzen abzufangen, nur für 15 Prozent spielen auch die Kosten eine Rolle. Zeitarbeit wird folglich in erster Linie als Flexibilitätsinstrument genutzt.
5. Mythos: Zeitarbeit schadet dem Arbeitsmarkt.
Fakt ist: Für Menschen ohne Arbeit ist Zeitarbeit ein Sprungbrett aus der Arbeitslosigkeit heraus in Beschäftigung. Gerade für Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose und Ältere – also für die Gruppen, die es besonders schwer am Arbeitsmarkt haben – und Jugendliche eröffnen sich so Möglichkeiten, in den Arbeitsmarkt zu gelangen. Ungefähr zwei Drittel der Zeitarbeitskräfte kommen aus der Arbeitslosigkeit. Gut jeder Fünfte neue Zeitarbeitnehmer war zuvor ein Jahr oder länger ohne Arbeit oder noch nie zuvor beschäftigt. Beschäftigte in der Zeitarbeit üben häufiger Tätigkeiten aus, die mit einem niedrigeren Anforderungsniveau verbunden sind. Jeder zweite in der Zeitarbeit Beschäftigte übt eine Helfertätigkeit aus, im Durchschnitt über alle Branchen ist es jeder siebte.
Für viele Zeitarbeitnehmer bieten die Einsätze in den Kundenbetrieben ferner die realistische Chance zur Übernahme in eine Festanstellung bei diesem oder anderen Unternehmen (Klebeeffekt).
Zeitarbeitseinsätze bieten den Arbeitnehmern außerdem vielfältigste Erfahrungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten „on the job“, die für das weitere Berufsleben – und spätere Arbeitgeber – wertvoll sind.
6. Mythos: Zeitarbeit verdrängt die Stammbelegschaft.
Fakt ist: Im Aufschwung werden in der M+E Industrie deutlich mehr Stammarbeitsplätze aufgebaut als Zeitarbeitsstellen. Auf 100 Stammarbeitsplätze kommen hier nicht einmal sieben Zeitarbeiter.
Auch die Entwicklung der Zeitarbeit in den vergangenen Jahren zeigt deutlich, dass die Branche frühzeitig auf konjunkturelle Veränderungen reagiert und sich daher gut als Frühindikator für die Entwicklung am Arbeitsmarkt eignet. Zu Beginn eines Aufschwungs nutzen die Betriebe zur Deckung des Personalbedarfs (neben der Ausweitung von Überstunden) zunächst verstärkt Zeitarbeit. Umgekehrt wird zu Beginn eines Abschwungs zunächst die Inanspruchnahme von Zeitarbeit eingeschränkt (neben einer Rückführung von Arbeitszeitkonten und ggf. der Nutzung von Kurzarbeit). Erst danach erfolgt zumeist die Reduzierung der Stammbelegschaften. Daraus wird deutlich, dass sich Zeitarbeit als Instrument zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes eignet und zu einem dauerhaften Zuwachs der Beschäftigung beiträgt. Zeitarbeit hält die Unternehmen flexibel und macht dadurch die Stammarbeitsplätze zukunftsfester.
41 Prozent der Zeitarbeiter sind weniger als ein halbes Jahr in der M+E Industrie eingesetzt, weitere 36 Prozent weniger als ein Jahr. Die Hälfte der M+E Unternehmen nutzt gar keine Zeitarbeit. Knapp zwölf Prozent der Zeitarbeitnehmer sind kürzer als drei Monate im M+E Betrieb eingesetzt, 22 Prozent zwischen drei und sechs Monaten und ein Drittel zwischen einem halben und einem ganzen Jahr.
Zwar ist die Anzahl der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche im letzten Jahr gestiegen. Allerdings findet der Aufbau der Zeitarbeit nicht auf Kosten der Stammbelegschaften statt. In den vergangenen zwölf Monaten sind beispielsweise allein im Automobilbau über 15.000 neue Arbeitsplätze entstanden, rund 6.000 im Metallbau und etwa 3.000 in der optischen und elektronischen Industrie.
7. Mythos: Einmal Zeitarbeit, immer Zeitarbeit.
Fakt ist: Die Zeitarbeit kann den Sprung in eine unbefristete Stelle erleichtern. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat ermittelt, dass 14 Prozent der Zeitarbeiter in die Stammbelegschaft übernommen werden. Andere Studien aus dem Personaldienstleistungsbereich ergaben für Deutschland sogar Werte von bis zu 44 Prozent.
8. Mythos: Zeitarbeitnehmer werden entlassen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
Fakt ist: Das Beschäftigungsverhältnis von Zeitarbeitnehmern besteht in der Regel auch nach dem Ende eines Einsatzes weiter. Mehr als 80 Prozent der Zeitarbeitskräfte haben einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem Zeitarbeitsunternehmen, d. h. der Arbeitgeber bezahlt auch weiterhin Entgelt.
9. Mythos: Bei der Zeitarbeit handelt es sich um prekäre Beschäftigung.
Fakt ist: Bei den Zeitarbeitsverhältnissen handelt es sich um vollwertige sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wie jeder andere Arbeitnehmer haben Zeitarbeitskräfte insbesondere Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und genießen gesetzlichen Kündigungsschutz. Nahezu 100 Prozent der Zeitarbeitnehmer werden in Deutschland nach Tarifverträgen bezahlt, die zwischen den Arbeitgebern der Branche und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossen wurden.
62 Prozent der Zeitarbeiter sind laut Bundesagentur für Arbeit auch zwölf Monate nach Beschäftigungsbeginn noch sozialversicherungspflichtig beschäftigt – sei es bei demselben oder einem anderen Zeitarbeitsunternehmen.
10. Mythos: Zeitarbeit entspricht nicht den EU-Vorgaben.
Fakt ist: Die Zeitarbeit ist angemessen und ausreichend reguliert. Deutschland hat die EU-Leiharbeitsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Damit wurden europaweit einheitliche Standards zum Einsatz von Zeitarbeitern festgelegt. Es wird ein Mindestniveau für einen effizienten Schutz der Zeitarbeiter gewährleistet. Auf EU-Ebene besteht daher kein Regelungsbedarf mehr.
Dies bestätigt auch der Prüfbericht der EU-Kommission vom 21. März 2014 – und damit bereits vor der Reform des AÜG 2017: Die EU-Richtlinie über Leiharbeit ist in Recht und Praxis umgesetzt und bedarf keiner Änderung. In allen Mitgliedsstaaten existiert danach ein rechtlicher Rahmen für einen wirksamen Schutz von Zeitarbeitnehmern und eine bessere Qualität der Zeitarbeit. Die Richtlinie gibt den Leiharbeitnehmern angemessene Arbeitsbedingungen und den Unternehmen die Flexibilität, die sie zu ihrer Entwicklung benötigen.
11. Mythos: Die Interessen der Zeitarbeitnehmer werden nicht vertreten.
Fakt ist: Auch während der Tätigkeit der Zeitarbeitnehmer im Einsatzbetrieb bleibt der Betriebsrat des Verleihers für diese zuständig. Aber auch der Betriebsrat des Entleihbetriebes nimmt die Interessen der Zeitarbeitnehmer wahr. Er ist bereits bei der Eingliederung von Zeitarbeitskräften zu beteiligen. Darüber hinaus wurde mit der Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes im April 2017 klargestellt, dass Zeitarbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten auch im Entleiherbetrieb mitzuzählen sind. Sehen also Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und der entsprechenden Wahlordnungen eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern vor, umfassen sie grundsätzlich auch die Zeitarbeitnehmer.
Quelle: Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V., September 2017